Dienstag, 7. Januar 2014

Warum soll ich Sie anrufen?

"Wenn eine Frau beim Telefonieren 'Also bis bald' sagt, beginnt die letzte Viertelstunde des Gesprächs.
Chris Howland


Zwei Wochen sind kurz. Für mich zumindest. Ich wäre dafür, die Ferien zu verlängern. 
Für die Kiddies sind sie viel zu lang. Zwei lange Wochen, in denen man an alles denkt, außer Schule. Obwohl man Hausaufgaben hatte. Obwohl MSA ansteht. Obwohl Lesen empfohlen wurde. Zwei Wochen, in denen man an alles denkt. Außer an Pünktlichkeit, Ordnung und Verantwortung.Viel zu lange zwei Wochen.

Wir haben also wieder Schule. Und ich muss wieder an den Anfang. 
Abdul ist krank, vergisst aber, sich abzumelden. Seine Eltern denken erst gar nicht dran. Ich rufe bei Abdul an. In der Pause. Um 9:40 Uhr.
"Hallo, hier ist Frau Feynberg, ist Abdul zu Hause?"
"Ja, aber schläft??!" Die Mutter scheint total überrascht zu sein, dass ich anrufe.
"Er muss aber seit 8 Uhr in der Schule sein. Die Schule hat wieder angefangen. Ferien sind vorbei!"
"Ja, aber Ferien auch krank."
"Er ist krank?"
"Sehr krank. In Ferien."
"Ja, das verstehe ich. Aber jetzt ist Schule. Keine Ferien mehr. Und gestern war er doch da?!"
"Gestern nicht krank. Jetzt auch krank."
"Er ist also immer noch krank?"
"Ja, immer krank."
"Und warum hat keiner angerufen, um ihn krankzumelden?"
"Ja. Nicht gut. Später Abdul geht Arzt und später Sie anrufen. 5 Uhr." Warum er erst um 5 Uhr zum Arzt geht, ist eine gute Frage. Ich stelle sie aber nicht.
"Wenn Abdul krank sein sollte, müssen Sie in der Schule anrufen! Oder eben Abdul. Er kann auch mich anrufen. Ich muss als Klassenlehrerin wissen, wo Ihr Sohn ist. Es könnte ja auch sein, dass etwas passiert ist!"
"Neeeein, nix passiert. Krank. Nur krank. Wissen Sie?"
"Ok... Gute Besserung und sagen Sie ihm, er soll mich anrufen, nachdem er beim Arzt war."
"Anrufen? Schule?"
"Nein, mich anrufen. Nach 14 Uhr erreichen Sie in der Schule niemanden mehr. Er soll mich anrufen und mir sagen, wie lange er krankgeschrieben ist."
"Ok. Sage ich. Danke Frau Feynberg."
Abdul hat sich bis jetzt nicht gemeldet.

In der zweiten Pause rufe ich Nafisa an. Pausen werden einfach überbewertet. Auch sie ist nicht erschienen. Weder gestern noch heute. Weder gestern noch heute gab es eine Meldung. Mittlerweile haben wir nach 11 Uhr. Nafisas Handy ist aus. Die freundliche Dame teilt mir mit, dass der Anrufer per SMS benachrichtigt wird. Die einzige Handynummer, die ich von der Mutter habe, funktioniert genauso wenig. Zu Hause geht auch keiner dran. Na super. Wenn es so weitergeht, muss ich vorbeifahren. Ätzend. Wenigstens sind alle anderen da. Heute sogar alle pünktlich. Gestern habe ich die erste Stunde mit der Hälfte der Klasse begonnen.

Um 16 Uhr nochwas klingelt meint Handy. Nur einmal. Nafisa lässt klingeln. 
"Hallo?"
"Nafisa! Wo steckst du?"
"Was schreien Sie so? Ich bin krank! Vooooll die Kopfschmerzen. Und ich musste sogar dreimal kotzen. Sind so eklige Stückchen rausgekommen."
"Sehr interessant... Und warum hast du dich Montag früh nicht gemeldet? Ich muss wissen, wo ihr seid!"
"Hab ich! Schwöre!"
"Du brauchst nicht zu schwören, sondern dich nur pünktlich abmelden! Ist es denn zu viel verlangt??"
"Ich hab angerufen. Auf Ihrem Handy, aber da war keiner!"
"Wie?? Da war keiner?"
"Ist Ihr Handy vielleicht kaputt? Ich hab gestern den gaaanzen Tag angerufen. Die Nummer auf der Liste. Ist doch Ihre?" Nafisa diktiert mir die Nummer. Sie stimmt.
"Nafisa, mein Handy ist absolut in Ordnung! Du kannst gestern gar nicht den ganzen Tag angerufen haben!"
"Dooooch! Und dann noch Sekretariat! Was machen Sie für Filme? Blockbuster, ey! Das ist doch alles vorgeplant! Warum soll ich Sie anrufen? Was soll's bringen? Damit Sie mich mit Ihren Fragen voll knechten??"

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