Freitag, 10. Februar 2012

Bus

Über Bus gibt es keine Zitate.

Es ist an der Zeit, sich den wirklich wichtigen Dingen des Lebens zu widmen. Ich habe folgendes überlegt. Welche Wörter werden in meiner Klasse am häufigsten genannt? Zweifelsohne landet ‚Bus’ unter den Top10. Dieses Wort höre ich so gut wie jeden Morgen.

„Valmir, warum bist du zu spät?“
- „Bus.“
„Was ist mit dir, Umut?“
- „Auch Bus. Wirklich.“
Am liebsten hätte ich gefragt: „Was Bus?“ Aber geht ja nicht. Muss mich ja richtig artikulieren, Vorbildfunktion und so. Insofern bleibt es bei den vielen Möglichkeiten, was denn nun mit Bus war. Zu spät, zu früh, kaputt, ...
„Mensch, Leute, ich bin heute auch mit dem Bus gekommen und ich war überpünktlich!“
- „Ja... Sie.. is ja was anderes.“ Wieso? Einen Privat-BVG-Bus besitze ich ja noch nicht.

Leider muss ich mich heute beeilen und somit nach der Schule denselben Bus nehmen, wie meine Schüler. Das fast Schlimmste was es gibt, ist eine Busfahrt mit Schülern. Ich komme an die Busstation. Die Hälfte meiner Klasse ist bereits dort versammelt. Ich will nur eins. Ganz schnell meine Kopfhörer finden, Musik hören und mich mit niemandem unterhalten. Träum schön weiter, Johnson.

- „Ey, Mrs. Johnson, SIE fahren Bus? Haben Sie Auto verkauft?“
„Ich habe euch doch schon heute morgen erzählt, dass ich mit dem Bus gekommen bin. Auch Lehrer fahren mal Bus.“
- „Krass. Wo fahren Sie? Wohnen Sie weit?“ Ich schaffe es nicht zu antworten, denn die nächste Frage kommt sogleich. - „Und wieso haben Sie Kopfhörer in der Hand?“
„Weil ich gerade Musik hören wollte. Auch Lehrer machen das.“
- „Uhhhh MC Johnson... Hören Sie Rap? Und wieso machen Sie das? Sie müssen jetzt mit uns sprechen. Sonst muss ich Ihnen Handy abziehen. Kann dann Ihre Mutter nächste Woche bei Sekretariat abholen. Aber muss Termin bei mir machen.“
- „Du Opfer, hör ma auf, ihre Mutter zu beleidigen!“ Es ist auch echt ein Unglück, dass dieser Bus einmal in 20 Minuten fährt, sooo lange warten ist einfach doof. Und auch noch kalt. Zum Glück nähert sich eine Gruppe Zehntklässler, die ich aber nicht kenne. Einer schreit:
- „Ey du!“
Murat ist verunsichert. - „Ich?“
- „Nein, andere du!“ Lieber Busfahrer, beeilen Sie sich bitte und bringen Sie mich ganz schnell hier weg. Dann fällt mir ein, die Schüler kommen ja mit. Ups. Vielleicht reden sie ja im Bus nicht so viel. Meine Gebete werden erhöht. Die Schüler steigen fast alle hinten ein. In Berlin muss man vorne einsteigen und die Fahrkarte vorzeigen. Der Busfahrer meckert. Der arme.

Im Bus bleibt ein Grüppchen vor der Fensterscheibe stehen.
- „Aller, guck ma, hier mein eine Ohr ist größer als andere Ohr! Wieso ist das so? Vielleicht ist Fenster schief?“
- „Du Knecht, du bist schief!“ Ok, wir haben uns ja schon ausreichend vor der Busfahrt unterhalten. Bitte sprecht mich nicht mehr an.
- „Mrs. Joooohnson! Gucken Sie, Baustelle.“
„Der Wahnsinn.“
- „Wenn ich nicht so gute Noten habe, kann ich doch noch Bausteller werden oder wie das Ding heißt, oder? Oder ich nehme Beruf ‚Murat schlagen’. Geht das?“
„Darüber können wir uns ja am Montag unterhalten. Ich muss jetzt leider leider aussteigen.“

So war sie, die Geschichte vom Bus. Mit dem Bus fängt der Schultag an und er endet mit dem Bus. Im Bus spielt das Leben. Und ich spiele jetzt Wochenende. Man sieht sich, Bus.

4 Kommentare:

  1. Diese Geschichte hat mich an meiner Studienzeit erinnert. Mit uns haben ein Paar Studenten aus Georgien studiert, die sehr wohlhaben waren. Einer von denen hat an den Eltern geschrieben und erwähnt, dass die Studenten anstatt mit einem Auto mit der Straßenbahn zur Uni fahren. Seine Eltern waren unglaublich besorgt, dass der Sohn so leiden musste, und versprachen ihn, auch eine Straßenbahn zu erwerben, damit er seine eigene fahren konnte.
    Ich finde dies sehr demokratisch, dass die Lehrerschaft gemeinsames Schicksal mit ihrer Schülerschaft teilen muss.

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  2. Ein guter Gedanke. Muss ich drüber nachdenken. Über die eigene Straßenbahn (Bus), meine ich.

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  3. Was aber immer wieder auffällt... deine Schüler stellen viele "Fragen", in dem
    Sinne "wissbegierig" sind sie
    ja irgendwie schon... nur
    leider oft in der falschen Richtung.

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  4. Ja stimmt. Sie wollen immer und ALLES wissen.

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