„Es gibt nur drei Methoden,
um leben zu können: betteln, stehlen oder etwas leisten.“
Honoré
von Mirabeau
Das
zweiwöchige Praktikum ist jetzt vorbei. Zum Glück! War das eine anstrengende
Zeit, Unterricht ist nichts dagegen! Das liegt eigentlich auch nah. Man lässt
die Schüler ins Berufsleben, ohne dass sie sich etwas drunter vorstellen
können. Azubi, Arbeit, Geld verdienen- das alles ist noch unglaublich weit
entfernt und erscheint abstrakt. Pünktlich kommen, Regeln einhalten ordentlich
und lange am Stück arbeiten und vor allem nicht nach dem Lustprinzip leben.
Alles nicht so einfach. Schwierig wird es, wenn der Ausbilder zweimal lachen
von Djamal als unglaublich störend empfindet und ich denke, dass zweimal lachen
bei Djamal echt gut für seine Verhältnisse ist. Auch die Wirtschaft wird sich
früher oder später auf die heutigen Schüler/Azubis einstellen müssen... Die
Schüler waren ausgelaugt, ich hatte gerade in den letzten Wochen das Gefühl,
nicht mehr zu können. Ich kann mich bloß nicht einfach so verdrücken, wie viele
Abgeordnete gestern im Bundestag, als es um das Betreuungsgeld ging. Schade
eigentlich.
Die Zeit war
natürlich toll, die Kiddies haben unglaublich viel gelernt und haben jetzt
hoffentlich wenigestens eine kleine Ahnung, wie sich das Leben in den Betrieben
abspielt und wie sie sich als Azubi anstellen könnten. Max ist die gesamte
letzte Woche nicht erschienen. Extrem starke Bauchkopfundallesandereschmerzen.
Arbeiten geht gar nicht! Mandy hat nur gemeckert, wie langweilig sie die Arbeit
findet. Dejan und Fatih wurden ja bereits am Anfang wegen nicht tragbarem
Verhalten suspendiert. Alle anderen hatten eigentlich mehr oder weniger Spaß an
der Sache, sind mehr oder weniger pünktlich erschienen und haben sich mehr oder
weniger an die Regeln gehalten. Und es sind während der gesamten Zeit nur eine
Türklinke und ein Stuhl kaputt gegangen. Gutes Ergebnis, würde ich sagen!
Insgesamt
hat es sich jedoch gezeigt, dass die Kiddies in einer Seifenblase leben und
absolut nicht auf das Leben da draußen vorbereitet sind. Und gerade für dieses
Klientel ist es doch so wichtig, sich auch praktisch zu beteiligen und nicht
nur Theorie zu pauken, mit der sie sowieso nichts anfangen können, viele
berufsorientierte Maßnahmen und individuelle Förderung zu erhalten. Jedem Einzelnen
muss man individuell aufzeigen, dass es sich lohnt, einen guten Abschluss zu
machen, einen Ausbildungsplatz zu ergattern und auf dem ehrlichen Wege sein
Geld zu verdienen. In den Familien klappt dies nur bedingt. (Das, was ich jetzt
schreibe, bezieht sich natürlich nicht auf alle und kann somit nicht
pauschalisiert werden.)
- Die Eltern
sprechen kaum bis gar nicht Deutsch und bewegen sich fast ausschließlich in
gleichsprachigen Kreisen- wie sollen dann die Kinder die Eingliederung in die
Gesellschaft als notwendig empfinden?
- Die Jugendlichen
wachsen teilweise in einem kriminellen Millieu auf und lernen schon in frühem
Alter, dass dies der einzig mögliche Weg ist, ans Geld zu kommen.
-
"Meine Eltern leben doch auch von Hartz IV und irgendwie klappt alles.
Schule ist so unnötig..."
- Die Kinder
und Jugendliche bekommen keine -so wichtigen- Streicheleinheiten zu Huase. Sie
hören kein Lob, sondern kriegen nur auf den Kopf. Immer wieder. Weil die Eltern
überfordert sind und sich nicht anders zu helfen wissen.
- Die
Jugendlichen leben in zerütteten Familienverhältnissen, haben keine
Bezugsperson und ein Haufen andere Probleme. Kiffen, saufen, ganz spät auf den
Straßen rumlungern, mit falschen Freunde 'chillen'. Kaum einer bekommt dies
alles mit. Sie haben keinen Kopf, um sich über die Schule Gedanken zu machen.
- Mädchen
übernehmen oft ganz viele Hausarbeiten. Putzen, passen auf die kleineren
Geschwister auf, kochen und machen vieles andere. Sie haben keine Zeit, um sich
über die Schule Gedanken zu machen.
Immer
öfter muss die Schule nicht nur die Bildungsschiene fahren, sondern auch
Erziehungsaufgaben übernehmen. Nur, wie sollen wir es schaffen, wenn
-
jeder Lehrer sich alleine um 26 und mehr Schüler kümmern muss?
-
jeder dieser Schüler so viele Probleme hat, dass man neben dem Unterrichten und
anderen organisatorischen bzw. bürokratischen Dingen nicht hinterher kommt?
-
Schulämter absolut keine Hilfe und Jugendämter hoffnungslos überlastet sind?
-
immer noch keine Rahmenlehrpläne für die neue -seit schon 2 Jahren existierende
Sekundarschule- entwickelt wurden und wir den viel zu vollgestopften alten
Lehrplan abarbeiten müssen?
-
ein Sozialarbeiter sich um alle Schüler kümmern muss?
-
keine Sozialpädagogen in der Schule vorhanden sind?
-
Geld für alles mögliche - Schulbücher zum Beispiel- nicht nur beantragt,
sondern auch seitenlang begründet werden muss? Und das ist immer noch keine
Garantie, dass die Schulen das Geld bekommen. Vor drei Wochen stand die
Haushaltslage für das nächste Schuljahr (ja genau, das Schuljahr, das in ca. 7
Wochen beginnt) noch nicht fest.
-
das pädagogische Personal seit der Einführung der Sekundarschule beteuert, dass
diese Schulform nicht funktionieren kann und schon gar nicht, wenn man kein
Geld reinsteckt und die Reformschule trotzdem gnadenlos durchgeführt wird??
>>
Liebe Bundestagsabgeordnete, bedenken Sie doch dies alles bitte bei Ihrer
nächsten Debatte (wenn denn alle erscheinen) und geben Sie doch bitte lieber
das Geld den Kitas, Kindergärten und Schulen, statt wieder so etwas unnötiges,
wie das Betreuungsgeld zu planen. Um im Leben rechtzeitig anzukommen, müssen
die Kinder bereits früh gefördert und sozialisiert werden. Gerade für die
Kinder mit Migrationshintergund ist dies unabdingbar, um Deutschkenntnisse zu
erlangen und für die Schüler aus sozial schwachen Familien, um auch außerhalb
der Familie Kontakte mit anderen Kindern zu knüpfen und sich so schneller zu
entwickeln! Mit den Folgen dieser nicht vorhandenen Sozialisierung kämpfen dann
die Lehrer später in den Schulen. Durch das Geld wird die Fürsorge und Liebe
für Kinder in den Familen nicht stärker oder schwächer und wer garantiert, dass
das Geld tatsächlich für die Kinder ausgegeben wird?
Wo
werden Sie kürzen, um das Betreuungsgeld zahlen zu können? Lassen Sie mich
raten, am Bildungssystem???
Wie recht Sie haben, vor allem am Schluss.
AntwortenLöschenDanke für die Zustimmung, die ist wichtig!
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