Samstag, 29. September 2012

Buch oder Battlefield 3?


„Der Wert des Buches richtet sich vor allem nach bestimmten Eigenschaften. In Leder gebundene Bücher können beispielsweise beim Abziehen von Rasierklingen unbezahlbare Dienste leisten. Dünne Broschüren dagegen eignen sich vortrefflich dazu, wackelnden Tischchen das Gleichgewicht wiederzugeben. Ein Lexikon ist hervorragend geeignet, einen Einbrecher gefechtsunfähig zu machen.“

Mark Twain

Ich bin schon vor der Klasse im Raum. Bereite meine Materialien vor und schaue mich um. Der Raum sieht so friedlich aus. Die Stühle stehen an den Tischen, die Rucksäcke daneben, die Bücher auf den Tischen. Ok, es ist erst die zweite Stunde und sie hatten die erste im Musikraum, aber man muss trotzdem die Ordnung honorieren. Schließlich heißt es auch, dass gestern der Ordnungsdienst seine Arbeit gut gemacht hat. Und da es sich hierbei um meine ehemalige Klasse handelt, weiß ich, wovon ich spreche.

Zuerst erscheint Bülent im Klassenzimmer.
- "Walla, Mrs. Johnson, Sie sind's!"
"Ich bin's. Ist es jetzt gut oder schlecht?"
- "Übertrieben guuuuut! Ich dacht schon, wär eingebrochen!" Jetzt erblicke ich auch den Rest der Klasse.
- "Olum, Bülent, bist du behindert? Wer soll denn hier was klauen??"
- "Bücher vielleicht??"
- "Aaaaler, wer braucht denn Bücher?"
"Ich brauche Bücher, du Dejan, brauchst sie, die ganze Klasse braucht Bücher und alle anderen Menschen auch! Bücher sind toll!"
- "Gaaar nicht. Ich brauch Play Station Spiele. Kennen Sie Battlefield 3? Is neu und krass teuer. Mrs. Johnson, was würden Sie für ein Spiel ausgeben?"
"Weniger, als für ein Buch!"
- "Eeeecht?"
"Natürlich."
- "Wenn Sie wollen, ich besorg Ihnen Battlefield 3 für billiger!" Dejan grinst über beide Ohren. Ich kann mich nicht mal zu einem Lächeln bei dem Wort 'besorgen' überwinden.
- "Maaaan Spaß, Mrs. Johnson. Was denken Sie über mich? Aber ich schwör trotzdem auf mein Leben, Sie haben kein Plan."
Plötzlich schaut mich Dejan sekundenlang an.

- "Mrs. Johnson, haben Sie geweint?"
"Wie? Geweint?"
- "Ihre Augen sind so... komisch..."
"Nein, sie sind nur entzündet und ich habe eine Salbe aufgetragen."
- "Wieso entzündet? Hat Sie jemand geschlagen? Sagen Sie mir, wer. Ich beschütz Sie dann!"
"Natürlich nicht, ich bin nur auf etwas allergisch."
- "Aber nicht auf mich, wa? Mich lieben Sie!"
"Doch, auf Schüler, die Computerspiele bevorzugen, statt Bücher zu lesen. Alles fängt an zu jucken, wenn ich euch sehe..."
- "Boah, Mrs. Johnson, wie gemein Sie sind! Aber heut sind ja Ferien. Dann können Sie sich schön ausruhen, bisschen Play Station zocken in den Ferien und so."
"Heute Nachmittag sind erst Ferien. Bis dahin wird noch etwas gelernt! Und dann können wir uns endlich alle ausruhen!"
- "Ich freue mich üüüübertrieben auf Ferien. Schule ist mieeees anstrengend! Immer lesen, lesen..." 

2 Kommentare:

  1. Es ist doch aber ziemlich süß, dass ihm (1) die "komischen" Augen auffallen und (2) er seine Lehrerin beschützen will ;).

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    1. Das mit den Augen war nicht zu übersehen. Aber der Beschützerinstinkt ist wirklich sehr süß!

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