"Arbeit und Ruhe gehören zusammen wie
Auge und Lid."
Rabindranath
Tagore
Momentan
lautet die Devise 'Ruhe bewahren' und irgendwie die Zeit bis zu den Ferien
überstehen. Egal, was kommt.
Die
Schüler sind sowas von ferienreif. Von mir spreche ich schon gar nicht. Ich
träume von Ausschlafen und Faulenzen. Ich träume davon nachts und tagsüber. Naja,
bald ist es soweit. Aber vorher muss man sich noch mit einigen - nicht immer
angenehmen Dingen - auseinandersetzen.
Man
muss zum Beispiel nach Telefonnummern suchen, um das Kind bzw. seine Eltern zu
erreichen. Nur weil eine Telefonnummer bei der Anmeldung angegeben wurde oder
auf der Klassenliste steht, heißt es noch lange nicht, dass sie auch existiert.
Nachdem ich zum dritten Mal die Ansage "Nummer nicht vergeben" höre,
fange ich, nach einer gültigen Nummer zu fahnden. Und ich meine wirklich
fahnden. Der betreffende Schüler hat nämlich keine Ahnung, wie ich seine Eltern
erreichen. Er kennt seine Nummer natürlich nicht auswendig und die Handynummern
der Eltern hat er sowieso noch nie zu Gesicht bekommen. Zumindest behauptet er
das und weil ich das nicht überprüfen kann, muss ich dem glauben und Detektiv
spielen.
"Ist
deine Mutter zu Hause?"
-
"Warum?"
"Ich
muss mit ihr sprechen."
-
"Warum?"
"Du
weißt genau warum. Ich renne seit vier Wochen der einen Unterschrift hinterher.
Ich habe gestern bei dir zu Hause angerufen. Die Nummer ist nicht vergeben.
Habt ihr die Nummer zu Hause gewechselt?"
-
"Sag ich nicht."
"Fatih
ich brauche irgendeine Nummer von deiner Mutter. Handynummer geht auch."
-
"Kenn ich nicht."
"Fatih!
Nummer her! Sofort!"
-
"Ich darf Sie die Nummer nicht geben!"
"Weil?"
-
"Weil Datenschutz!" Soll da mal
einer nicht verrückt werden!
Wenn
man Glück hat, dann weiß man, wie die älteren Geschwister heißen und kann
versuchen, sie per Facebook zu kontaktieren oder eben so lange auf den Schüler
einzuschreiben, ihm mit dem Hausbesuch drohen oder Ähnlichem, bis er die
Telefonnummer rausrückt. Alles andere wäre ja langweilig!
Langweilig
wäre es auch, wenn unser Senat genau das machen würde, was er verspricht. Geld wurde
zu einem bestimmten Zeitpunkt versprochen. Toll! Gesagt, getan, ein Projekt mit
den Schülern angefangen. Sehr gut, gerade für unsere nicht ganz so ...ähhhmm...
einfachen Kiddies. Sie haben ein Ziel vor Augen, arbeiten, um was Eigenes zu
schaffen und sind beschäftigt. Und natürlich freuen sie sich auf das Ergebnis.
Und dann plötzlich: Ups, verzählt, Geld reicht doch nicht. Das Projekt kann nur
Anfang nächsten Jahren endfinanziert werden. Konsequenz? Nur eine für uns.
Versuchen, es den Schülern irgendwie zu erklären, uns das Gemotze anhören und
hoffen, dass das Geld im Winter tatsächlich vorliegt.
Genauso
öde wäre es , wenn unsere Schüler plötzlich an einem Morgen als die bravsten
Menschen dieser Welt aufwachen würden. Zum Glück ist es bisher nicht passiert
und das Entertainment-Programm kann Tag für Tag fortgesetzt werden.
-
"Ich mach nicht mit dem in eine Gruppe! Ich habe sowieso kein Bock auf die
Aufgabe!"
"Timm,
jetzt gib dir einen Ruck! Im Betrieb kannst du es dir auch nicht aussuchen, mit
wem du arbeiten möchtest und mit wem nicht!"
-
"Gaaaar nicht!"
"Was
wird denn deiner Meinung nach passieren, wenn du am Arbeitsplatz die
Zusammenarbeit mit einem Kollegen verweigerst?"
-
"Gaaaar nix, der Chef wird bestimmt das Problem irgendwie lösen."
"Richtig,
indem er dich noch mal auf diesen Kollegen verweist!!"
In
dem Moment schaue ich zu Mirko, der mit dem Kopf auf dem Tisch liegt.
-
"Mirko, arbeitest du nicht an der Aufgabe?" Mirko reagiert nicht und
bleibt liegen. Ich komme näher.
"Mirko!!!"
-
"Was schreien Sie so?"
"Also
was ist los?"
-
"Ich bin sauer auf Sie!"
"Aus
welchem Grund?" Schweigen.
"Mirko,
du musst schon mit mir reden, sonst werden wir das Problem nie klären!"
-
"Alle schreien rein und Sie hören denen zu. Ich meld mich hier eine Stunde
und mich nehmen sie nicht dran!" Ist
auch echt schwer bei so einem Chaos auf jeden einzelnen zu achten und zu
realisieren, wer sich meldet und wer nicht.
"Eine
Stunde kann gar nicht sein!"
Mirko
bleibt trotzig. - "Dann eben zwei Stunden. Zähle ich doch nicht!"
"Hey,
falls ich dich tatsächlich übersehen habe, tut es mir leid. Und jetzt mach
lieber die Aufgaben, sonst verlierst du wertvolle Punkte für deine heutige
Note." Mirko bewegt sich total lustlos zu seinem Partner. So, als würde er
mir einen Riesengefallen tun. Wann hast
du dich eigentlich jemals bei mir fürs Zuspätkommen, dreiste Antworten und
Unzuverlässigkeit entschuldigt? Egal, es spielt jetzt keine Rolle. Er macht die
Aufgabe und ich bin glücklich, dass in der Klasse einigermaßen Ruhe herrscht.
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