Sonntag, 21. Oktober 2012

Lehrer als Alleskönner


Wir können nicht alles tun, aber wir müssen tun, was 
wir können."



Bill Clinton


Es gibt eine neue Empfehlung von einer Kommission, bezüglich der zukünftigen Lehrerbildung in Berlin. Eine Lehrerbildung, die an die jüngste Reform angepasst werden muss. Neue Reform in der Schule, neue Reform in der Lehrerbildung. Ein Uniprofessor spricht also Empfehlungen aus. Zusammen mit einer Kommission. Ich würde gerne wissen, wann dieser Professor oder die Mitglieder dieser Kommision das letzte Mal in so einem Unterricht waren, wie ich ihn täglich erlebe. Wäre mal interessant zu erfahren. Das Ergebnis der Tagung: die Lehrer müssen, müssen, müssen. Die Lehrer müssen nicht nur etwas von ihrem Fach verstehen, sondern müssen auch die Grundlagen der Sonderpädagogik studieren. Reden wir an dieser Stelle nicht drüber, dass die Sonderpädagogik ein eigenständiges Fach mit -glaube ich- 8 Semestern Studienzeit, ist. Wir müssen also Hauptschüler, Reaschüler und Sonderschüler zusammen in einer Klasse unterrichten. 26 Schüler in einer Klasse. Nichts leichter als das! Die Lehrkraft sollte wissen, wie sie den Stoff am besten vermitteln. Nun ja, ich weiß es. Ich weiß auch wie Partner- und Gruppenarbeit funktioniert, wie man Stationenlernen und ein Lernbuffet veranstaltet. Ich weiß auch, welche Methode zu welcher Gruppe und zu welchem Thema passt. Nachdem ich meine Schüler beruhigt, möglicherweise alle Konflikte beigelegt und die Kinder dazu gebracht habe, alle Materialien auf den Tisch zu legen, kann man ja so eine schicke Methode machen. Funktioniert vielleicht auch mal 5 Minuten, bis man sich wieder der Disziplin wenden und alle dazu motivieren muss, zu arbeiten und nicht in die Luft zu starren, durch die Gegend zu hüpfen, mit anderen zu kommunizieren usw. Ich habe auch gelernt zu differenzieren, aber in drei und nicht in 26 Stufen. Das Niveau der Schüler ist nämlich so unterschiedlich, dass man soweit gar nicht differenzieren kann. Zumindest nicht alleine. So einen Studiengang will ich sehen, der so etwas anbietet. Da würde ich doch glatt wieder studieren. Nehmen wir meine ehemalige Klasse. Während Umut mit der Aufgabe fertig ist, hat Can noch gar nicht angefangen. Dejan und Fatih schlagen derweil einander und ziehen Gülcan an den Haaren. Valmir spielt mit Djamal xxo. Jocelyn und Betül haben Fragen zu der Aufgabe. Deniz verlangt nach der nächsten Aufgabe. Nafisa malt den Tisch an. Nathalie guckt zur Decke, Murat unterhält sich mit Luis, Lukas hört heimlich Musik und Justin hüpft durch die Klasse und singt dabei. Und das war erst die Hälfte der Klasse. So, hat jemand was von aufregenden Methoden gesagt? Jedes Verhalten hat einen Grund und jedem muss man helfen, indem man diesen Grund herausfindet und versucht ihm zu helfen. Nur werden leider langsam alle Förderzentren aufgelöst, also müssen die "normalen" Lehrer ran... Wir lernen also kurz mal paar Grundlagen der Sonderpädagogik neben den restlichen Inhalten des Studiums und können dann mit den Störern, Verweigerern, Nichtkönnern und allen anderen umgehen. Und das auf einmal.

Wie wär's denn mit einer Doppelbesetzung in den Klassen, mehreren Sozialpädagogen, mit kleineren Klassen und mit Sonderpädagogen, die nicht nur an einem Tag in der Schule sind, sondern mal eine ganze Woche!? Aber nein, die Lehrer müssen alles können. Wenn man eines Tages den Zoo auflöst, weil der zu viel Geld kostet, werden wir auch die Tiere unterrichten müssen... Mit ein paar Grundlagen in Zoologie wird es schon klappen... Auch wenn die Lehrer nicht mehr Können, weil die Belastungen und die Aufgaben immer mehr werden, müssen sie trotzdem können.
Wir müssen eben alles. Wir sind Sozialarbeiter, Mutter, Vater, Psychologe, Polizei, Arbeitsberater, Krankenschwester, Moralapostel, Motivationstrainer, Wecker, ... Wir erinnern, wir besuchen, wir kontrollieren, wir bringen bei, wir bemuttern und bevattern, wir bilden, wir erziehen, wir ermahnen, wir schreiben, wir hören zu, wir reden mit Eltern und dem Jugendamt, wir rufen an, ... Wir müssen immer mehr. Nur uns gegenüber muss man keine Zugeständnisse machen. Man muss uns nicht verbeamten, muss sich auch nicht erkundigen, ob man denn mit den Änderungen, die die Politik beschließt, überhaupt zurechtkommt. Wenn nach dem Umsetzen dieser Empfehlung immer noch was schief läuft, dann überlegt man sich noch etwas für die Lehrer? Schließlich, sagt der Professor, hinge alles vom Können der Lehrer ab!  Bisher haben sie doch auch alles ausgehalten... Ist nicht so schlimm, dass die Zahl der Langerkrankten immer weiter steigt... Schade, dass ich es mir nicht leisten kann, lange zu erkranken, weil ich nicht verbeamtet bin. Wenn ich also eines Tages nicht mehr kann, muss ich trotzdem weiterhin können. Bis zum Umfallen. 

4 Kommentare:

  1. Ich stecke momentan noch im Studium zum Lehramt und habe in den Ferien ein Praktikum an einer Grundschule gemacht. Die lag im schönen und ruhigen Sauerland und selbst da war einfach das größte Problem der unterschiedliche Leistungsstand. Die Lehrer waren echt froh, dass man als Praktikant da geholfen hat. Ein Lehrer für ca. 25 Kinder ist extrem schwer.
    Ich hoffe später als Lehrer auf dem Gymnasium es nicht mit so extremen Unterschieden zu tun zu haben.

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    1. Naja, wirklich homogene Klasse gibt es ja nicht wirklich, nur Umstände, die besser oder schlechter sind...

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  2. Hallo Mrs. Johnson,
    wirlich sehr gelungene Beschreibung einer sehr traurigen Realität. Das mit den Tieren stelle ich mir übrigens einfacher vor als das mit den Kindern, die brauchen nämlich nur Futter, Wasser und einen sauberen Platz zum Schlafen.....da sind wir dann nicht für deren Entwicklung und deren Leistungstand verantwortlich.... wäre doch zur Abwechslung mal richtig entspannend, oder?
    Grüße!

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    1. Lieben Dank! Immer her mit Abwechslung und Entspannung!

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