„Theoretisch Marge, theoretisch
funktioniert auch der Kommunismus!"
Homer Simpson
Was
für ein Tag... was für eine Woche... was für eine andere Welt. Man denkt, man
hat schon alles gesehen und gehört. Aber es gibt Sachen, die gibt es nicht...
Situationen, bei denen ich so sprachlos bin, dass ich überhaupt nicht reagieren
kann. Wie denn auch, ich habe sie ja auch noch nie erlebt. Ich kenne das so
nicht. Mrs. Smith und ich sind leicht fertig. Wir stehen vor der Schule und
genießen die frische Luft. Endlich Luft. Und unterhalten uns, wie unglaublich
unsere Schüler sind. Zum Glück kann ich von "unseren" Schülern sprechen.
Wenn ich alleine diese Klasse betreuen würde, wäre ich wahrscheinlich schon in
Frührente. Jedenfalls merkt Mrs. Smith an, dass wir uns mal über nette Dinge
des Lebens unterhalten müssten, nicht nur darüber, wie übel alles ist. Recht
hat sie, aber wie soll man das bloß anstellen, wenn wir keine Ergebnisse sehen?
Übel ist übel. Fertig. Aus. Das einzige was hilft, ist das alles mit Humor zu
nehmen. Versuchen wir es... Aber zuvor müssen wir uns über die letzten 24
Stunden austauschen. Ah ja und jedem, der denkt, sowas kann nur Fiktion sein,
kann ich nur sagen: Genauso war es.
Wir
bestellen die Schüler in die Schule, um den Fortschritt für die größere Aufgabe
zu kontrollieren, die sie nächste Woche abgeben müssen. Besser so, als wenn sie
nächste Woche mit leeren Händen da stehen und eine 6 kassieren. Wir kennen das
doch. Wenn man ihnen nicht hinterher rennt, kommt nichts. Kontrolle ist nicht nur
besser, sie ist das Einzige, was wenigstens bisschen hilft.
Die
ersten Absagen für diesen "Privatunterricht" kamen schon gestern. Es
ist Bayram, ein Feiertag. Das wussten wir natürlich, aber keiner meldete sich
eine Woche zuvor ab. So wie verlangt. Also gingen wir davon aus, dass wir heute
alle Kiddies sprechen können.
Efkans
Mutter meldet ihren Sohn für heute telefonisch ab. Seit wann muss man das
schriftlich anmelden, fragt sie? Und dann auch noch eine Woche vorher?! Das
hätte sie ja noch nie gemacht. Eben
deswegen. Wir müssen doch wissen, mit wievielen Schülern wir rechnen können. Ab
und an müssen auch wir planen.
Can
meldet sich über Facebook. - "Mrs. Johnson, ich verstehe nicht, was ich
machen soll mit Hausaufgaben. Wann kommen Sie mich besuchen, damit Sie es mir
erklären können? Heute würde passen." Schön,
dass es heute passt. Mir nicht. Diese Hin-und-her-Schreiberei geht mir auf
die Nerven. Ich rufe ihn an.
-
"Wenn du Fragen hast, kannst du gerne morgen in die Schule kommen."
-
"Mrs. Johnson, morgen ist Bayram. Ich gehe nicht arbeiten. Und deswegen
kann ich auch nicht in die Schule
kommen. Kann ich Freitag kommen?"
"Und
wann hattest du vor, mir zu sagen, dass du morgen nicht kommst?"
-
"Hä? Aber Sie wissen doch, ist Feiertag!"
"Du
musst dich doch abmelden, wenn du nicht kommst! Es gibt auch Leute, die
trotzdem arbeiten an dem Tag."
-
"Aber wieso? F.E.I.E.R.T.A.G."
"Ist
ja schön und gut. Andere Leute müssen dafür Urlaub nehmen! Du kannst gerne
wegbleiben, aber sag doch bitte Bescheid!"
-
"Hmmmm."
Abdul
meldete sich ebenfalls gestern Abend. - "Mrs. Johnson, ganze Schule hat
morgen frei. Nur wir müssen Praktikum." Natürlich, die ganze Schule hat frei- egal ob man feiert oder nicht.
Nur du musst arbeiten, weil du Abdul heißt. Leider muss er mir doch heute
zeigen, was er bisher gemacht hat. Das Ergebnis ist ernüchternd, der größte
Teil wurde noch nicht malangefangen.
-
"Man Mrs. Johnson, was regen Sie sich so auf? Locker mach ich das... Ich
hab doch noch 3 Tage..."
"Ich
rege mich auf, weil du in letzter Zeit echt abgebaut hast!"
-
"Ah was, es gibt Schlimmere..." Ja,
nach unten gibt es leider auch keine Grenze.
Melina
wurde um 9. 30 Uhr bestellt. Um 9 Uhr bekommt Mrs. Smith einen Anruf.
-
"Mrs. Smith, wo bleiben Sie? Ich bin schon hier."
"Wir
sind doch erst in einer halben Stunde verabredet"
-
"Ja, aber ich bin schon da. Können Sie sich beeilen? Bitte." Mrs.
Smith beeilt sich tatsächlich. Als sie in der Schule ankommt, ist von Melina
weit und breit nichts zu sehen. Um 9.40 Uhr erscheint sie. - "Ich wollt
bisschen spazieren, Sie waren doch eh nicht da."
Önder
ruft Mrs. Smith gleich dreimal an. Um 18:10, 19:15 und 20.05 Uhr.
-
"Ich will nur Praktikum gehen, Schule komme ich nicht!" Warum er erst
mal nicht kommen konnte, bleibt ein Rätsel. Es gibt nämlich drei Versionen. Pro
Anruf eine Version.
1.
- "Gäste kommen, ich muss helfen."
2.
- "Gäste kommen doch nicht, aber ich kann auch nicht Schule kommen."
3.
- "Gäste kommen nicht. Aber ich kann erst nachmittag kommen." Gebongt,
dann komm eben am Nachmittag, sagt Mrs. Smith. Alleine für diese
Terminvereinbarungen müssten wir Überstunden anmelden.
Mrs.
Smith und ich sitzen also in der Schule und warten. Sie auf Önder und dann auf
Jannes. Ich auf Mirko. Mirko stand fälschlicherweise schon heute früh vor der
Schule und hat sich gewundert, wo ich bleibe... Der Schüler von heute,
entscheidet eben selbst, wann er zur Schule kommt. Die Reihenfolge ist klar.
Önder, Jannes und dann Mirko. Önder ist nicht da. Wir warten. Kein Önder. Dann
SMS: Komme 10 Minuten später. Warten. Nichts. Irgendwann kommt Jannes.
Pünktlich, gut gelaunt und vorbereitet. Önder kommt 45 Minuten zu spät zu
seinem Termin. Er reißt die Tür auf. - "Was machtn Jannes hier? Hab ich
nicht Termin?"
"Nein,
jetzt ist Jannes dran. Wartest du bitte draußen?"
-
"Ja, aber können Sie schnell machen? Ich muss gleich wieder weg." Nö,
Mrs. Smith macht nicht schnell. Irgendwann ist auch Önder dran. Önder ist also
da, seine Materialen aber nicht. Wir sehen nichts. Wir hören Ausreden. Wir
haben noch ein Thema für später. Önder geht, nachdem wir ihm wieder einmal
gesagt haben, was er nächste Woche abgeben muss.
Nur
noch Einer heute. Mirko. Halbe Stunde nach dem eigentlichen Termin ist
verstrichen. Mirko ist nicht da. Sein
Handy ist aus. Wir gehen jetzt. Reicht.
Mrs.
Smith und ich stehen draußen und können uns nicht entscheiden, wessen Tag
besser gelaufen ist. Ihr oder meins. Wir kommen zu keinem Ergebnis, nur dazu,
dass wir uns mal auch über schöne Sachen unterhalten sollten.
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