„Erst der
Enthusiasmus, dann erst der Fleiß.“
Stefan Zweig
Ich
besuche Can an seinem Praktikumsplatz. Und ich bin ehrlich, ich erwarte das
Schlimmste. Man soll lieber nichts erwarten, dann kann man auch nicht
enttäuscht werden. Oder man erwartet denselben Can, wie in der Schule und geht
da strahlend wieder raus, weil man den Can bei der Arbeit gar nicht kennt.
Can
sitzt am Schreibtisch und lächelt mich an, als ich zur Tür reingehe. Er winkt
mir zu und lächelt. Er springt nicht, schreit nicht, singt nicht. Er sitzt nur
ruhig vor dem Computer. Seine Augen glänzen irgendwie.
-
"Guten Morgen, Mrs. Johnson. Wie geht's Ihnen?" Ich bin sofort besser
gelaunt, als vor einer Stunde.
"Gut
danke! Und selbst?"
-
"Gut! Möchten Sie einen Kaffee?"
"Oh
ja, genau das, was ich jetzt brauche!" Can eilt raus Richtung Küche und
ich kann es nicht fassen. In diesem Moment kommt Cans Chefin rein. Auch sie
lächelt. Ok... so schlimm kann er sich hier
nicht verhalten... Sie fängt an zu erzählen und Can gesellt sich zu uns.
Ich weiß nicht, wann dieser Junge das letzte Mal so viel Lob gehört hat. Wie
toll alles ist, wie pünktlich, zuverlässig, hilfsbereit Can ist. Wie gut er
seine Aufgaben macht, wie bemüht und interessiert er ist. Can sitzt da und wird
rot. Man merkt sofort, Can wird hier gebraucht und kann viele Erfolge feiern.
Sie sind ganz klein, aber es gibt sie. Endlich kann er den Sinn erkennen, in
dem was er tut. Im theoretischen Mathe- und Deutschpauken wird so ein Schüler
niemals auch nur einen kleinen Sinn
erkennen. Warum sollte er es denn machen? Ich kann eine Mischung aus Unangenehm
und Stolz erkennen. Megastolz. Auch ich bin es. Und überrascht. Von mir. Davon,
wie wenig wir unseren Schülern zutrauen und wie schnell wir sie in eine Schublade
stecken. Can besuche ich zuerst und liebe meinen Beruf ab dem Zeitpunkt ein
bisschen mehr als vorher. Weil vor meinen Augen diese Jugendlichen eine
Wahnsinnswandlung vollziehen, weil sie sich freuen, mich zu sehen und weil es
so wichtig ist, was wir tun. Weil es so wichtig ist, jeden Einzeln von ihnen zu
beachten und zu fördern. Nicht die Haupt-, Real- und Sonderschüler in eine
Gruppe zu stecken und sie nach demselben Muster zu unterrichten. Gelder
freizuschaufeln für mehr Räume, Personal, Materialien muss man! Immer wieder!
Nach
Can besuche ich Abdul und Mirko. Die Schwierigsten der Schwierigsten. Während
des gesamten Gesprächs höre ich kein einziges Mal 'aller', 'wallah' oder 'miesgeil'.
Hier wird auch nicht geschworen. Weder auf den Koran, noch auf die Mutter. Auch
sie glänzen, auch hier ist man mit ihnen zufrieden. Genau das brauchen Sie.
Lob, Anerkennung und gebraucht werden. Schön, dass ich sie dabei begleiten
kann. Wow!
Das Layout gefällt mir besser!
AntwortenLöschenLieben Gruß.
Danke, mir auch!
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