Donnerstag, 16. Februar 2012

Das liebe Geld

„Geld allein macht nicht unglücklich.“

Peter Michael Falk

Erdkunde. Die Schüler bekommen von mir die Aufgabe, die Länder der EU und die dazugehörenden Hauptstädte aufzuzählen. Hierzu sollen sie mit Atlanten arbeiten. Plötzlich spüre ich, wie ein Finger mehrmals gegen meine Schulter tippt. Christina steht vor mir und schreit:
- „Mrs. Johnson, ist Betrug!“
„Kannst du mich bitte nicht anfassen und leiser sprechen? Mein Gehöhr ist NOCH in Ordnung. Jetzt setz dich hin und dann kannst du mir alles sagen, was du möchtest!“
- „Schuldigung.“ Christina setzt sich wieder hin.
„So, jetzt können wir uns unterhalten. Wovon redest du bitte?“
- „Hier gibt es diese komischen Estland, Lettland und Litauen gar nicht.“
„Natürlich gibt es die! Guck noch mal genauer hin.“ 2 Minuten später.
- „Hab geguckt. Schwör, die gibt’s nicht. Können Sie mal kommen?“ Ich gehe also hin. Und sehe... die Sowjetunion. Der Atlas und ich sind ja fast gleichalterig! Na super. Nicht nur, dass ich eine Schülerin umsonst angemotzt habe, ich unterrichte auch noch mit ururalten Büchern. Vielleicht sollte ich mir eine aktuellere Version besorgen und bei Bedarf für alle die jeweilige Seite kopieren. (Solange wir grenzenlos kopieren können. Soll bald auch eingeschränkt werden.) Habe ja sonst alle möglichen Schulbücher und Kopiervorlagen zu Hause. Und Haufen anderes Zeugs, das ich für den Unterricht benutze. Alles selbst finanziert. Gibt es weitere Berufe, die ihre Arbeitsutensilien selbst bezahlen müssen? Ich glaube nicht...

Apropos Finanzen.
Ich schaue mir gerade den Berg Papier auf meinem Schreibtisch an. Nichts davon gehört zum eigentlichen Unterricht. Alles muss ich bearbeiten. Wir müssen jedes Detail aufschreiben, alles protokollieren, Listen führen. Sämtliche Konferenzen, Elterngespräche, außerplanmäßige Vorfälle, Klassenbucheinträge, Verspätungen,... Briefe an die Eltern schreiben, mit allen möglichen Instanzen korrespondieren, Förderpläne für Schüler mit Förderschwerpunkt erstellen. Ist ja nicht so schlimm, dass man noch nie solche Pläne schreiben musste und keine Ahnung hat, wie man so etwas macht. (Weil man ja für die Arbeit mit behinderten Kindern nicht ausgeblidet ist.) Man kann ja die Sonderpädagogin anrufen, die für mehrere Schulen gleichzeitig verantwortlich ist. Ich weiß, gehört zu den Klassenlehrergeschäften. Will mich aber trotzdem gerade beschweren. Damit uns bloß nicht langweilig wird, gibt es seit letztem Jahr das so genannte Bildungspaket. Das bedeutet, dass bedürftige Schüler nun noch mehr bezahlt bekommen, als dies bisher der Fall war.  Klassenfahrten, Ausflüge, Fahrten zu Wandertagen, Nachhilfe, Schulkrempel (Papier, Stifte), warmes Mittagessen in den Schulen, ... Ich will auch 100€ im Jahr für meinen persönlichen Schulbedarf bekommen!

Und wer hat mehr Arbeit dadurch? Natürlich die Lehrer. Ich muss also vor jedem Ausflug die Berechtigung (BerlinPass) der einzelnen Kinder kontrollieren. Wenn die Schüler ihn nicht dabei haben, muss man (teilweise) mehrere Tage hinterher laufen. Dann muss ich gucken, welche Art Berechtigung das ist. Es gibt nämlich drei verschiedene. Dann natürlich einen Wisch mit ziemlich vielen Angaben ausfüllen und das ganze samt Quittung einschicken. Der Betrag von oftmals nur ein paar € wird auf mein (!!!) Konto überwiesen und ich zahle diesen dann an die Schüler aus. Kriegt man das nicht irgendwie hin, ohne den Lehrern noch mehr Arbeit aufzuzwingen?? Außerdem wäre ich dafür, Leistungen gegen Leistungen zu bringen. Erfüllt das Kind seine Aufgaben in der Schule, funktioniert die Zusammenarbeit mit den Eltern, dann kann man doch auch Geld dafür springen lassen!

So, genug gemeckert. Ich fange mal an, den Berg zu bearbeiten. Sonst wird es nie was...

3 Kommentare:

  1. Mischunterricht: Geschichte verbunden mit der Erdkunde! Ist es nicht wunderbar? UdSSR zusammen mit den EU-Staaten. So was zu erleben auf einmal bekommt nicht jeder.
    Liebe Frau Lehrerin, ich vermute, dass Ihr Gehalt nicht so niedrig ist wie die Regelleistung nach SGBII. Ich freue mich, dass die bedürftigen Kinder mindestens 100 Euro im Schuljahr für den persönlichen Schulbedarf erhalten. Sonst könnten Sie mit denen überhaupt keinen Unterricht führen.

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  2. Ich habe ja auch nichts dagegen und gönne es jedem, der das Geld auch dafür verwendet.
    Allerdings entsteht ein Widerspruch, wenn es jede Stunde heißt: "ich habe kein karriertes Blatt, kein liniertes Blatt und keinen Stift!"

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  3. Ah ja, Erdkunde + Geschichte nennt man übrigens fächerübergreifender Unterricht.

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