Mittwoch, 15. Januar 2014

Alles positiv

"Alle Dinge werden zu einer Quelle der Lust, wenn man sie liebt."
Thomas von Aquin


Als ich gerade nach Hause fuhr und abbiegen wollte, schaltete sich die Fußgängerampel auf grün. Am Bürgersteig mindestens 20 Kindergartenkinder und drei Erzieherinnen. Ich völlig genervt und geschafft vom Vormittag und den Nachmittag noch vor mir. Mit Korrigieren, Eltern anrufen und diverse Arbeitsblätter für morgen vorbereiten. Zum Sport gehen wäre eigentlich auch nicht shclecht. Ich stehe also an dieser Ampel und befürchte Schlimmes. Ich befürchte mindestes zehn unnötige Minuten Wartezeit, bis diese Kindergartengruppe es schafft, die Straßenseite zu wechseln. Irgendwie liegt es doch in der Lehrermentalität, vom Schlimmsten auszugehen. Ich, nein ich bin nur positiv, denke ich und ertappe mich immer wieder bei den negativen Gedanken.

Aber zurück zu der Ampel und dem Kindergarten. Eine Erzieherin steht ganz vorne, die andere ganz hinten und die dritte in der Mitte. So wie es sich gehört. Plötzlich sagt die Erzieherin ganz hinten etwas. Ich kann nur die Lippenbewegung sehen, habe keine Ahnung, was sie da von sich gegeben hat. Innerhalb von höchstens fünf Sekunden werden aus dem Haufen geordnete Zweier-Reihen. Zügig überqueren die Kinder die Straße und ich stehe mit offenem Mund da und vergesse, dass ich schnell nach Hause wollte. Warum reagieren meine Schüler auf meine Anweisungen nicht so schnell? Trotz mehrfacher Ansagen, melden sie sich nich rechtzeitig krank, sagen nicht Bescheid, welches Thema sie noch einmal üben möchten, setzen sich nicht sofort um, spucken ihr Kaugummi doch nicht aus oder holen ihre Materialien erst zehn Minuten nach dem Klingeln raus? Lag es an der Autorität der Erzieherin, an ihrem Spruch, vielleicht an dem gutbürgerlichen Bezirk? Ich bin baff.

Und dann denke ich an die Wunschliste einiger Berliner Schulen, die letztens veröffentlich wurde.
Und denke dann an meine Schule. Sooo unhygenisch ist es bei uns nicht. Man kann sich ohne Ekelgefühl von A nach B bewegen. Auch die Toiletten kann man durchaus benutzen, auch wenn man seine eigene Seife mitbringen muss. Lehrer haben wir gerade noch so viele, dass der Unterricht vollständig gewährleistet werden kann. Der Schulhof ist zwar total langweilig, aber immerhin groß. In letzter Zeit ist nur ein Fenster abgefallen, weil es so marode war- es war gerade kein Schüler in der Nähe. Die Wände kann man wegen des nicht vorhandenen Budgets nicht mehr streichen lassen. Aber egal, dann können sich die Jugendlichen an *ihrem* Raum beteiligen. Eine neue Turnhalle haben wir auch. Und auch Smartboards in fast jedem Klassenraum. Berlin soll ja bald ganz kreidefrei werden. 

Und meine Schüler. Die sind eigentlich nett und witzig. Die fragen nach, wie es mir geht. Sie entschuldigen sich, wenn sie zu spät in die Klasse reinstürmen. Ziele haben sie auch. Theoretisch. Im Kopf haben viele auch was. Bestimmt werden diese Zellen ganz bald die Faulheit besiegen. Die Kiddies sind auch hilfsbereit. Die würden den schwersten Schrank drei Stockwerke hochtragen. Während der Unterrichtszeit natürlich. Also ist doch alles gut. Alles positiv.

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