Nicht die Jahre in unserem Leben
zählen, sondern das Leben in unseren Jahren
zählt.
Adlai
E. Stevenson
Ich
warne schon mal vor, heute wird es etwas trocken. Wer übers bildungspolitische
Zeug nicht so gerne liest, darf die Geschichte gerne überspringen.
Ich
feiere heute Jubiläum. Ein echt schönes, wie ich finde. Vor genau zwei Jahren
absolvierte ich die zweite Staatsprüfung und beendete erfolgreich das
furchtbare Referendariat. Da ich schon während dieser Ausbildung mir fest
vorgenommen habe, das alles aufzuschreiben, was da läuft und nie dazu kam, mache
ich das jetzt. Und auch aus dem aktuellen Anlass, der Allensbach-Studie wegen.
Hier wurde ja vor allem die Lehrerausbildung kritisiert, diese bereite die
zukünftigen Lehrer zu wenig auf den Beruf vor. Stimmt genau. Referendarin zu
sein ist einfach scheiße. Klar, zwei Jahre sind eine lange Zeit und ich
erinnere mich auch nicht mehr an jede Schickane. Allerdings erinnere ich mich
noch genau an das Gefühl der Abhängigkeit, der Erniedrigung und des Drucks. Das
Bestehen dieser Prüfung hängt natürlich von einem selbst ab. Aber eben auch von
anderen. Wenn heute mal wieder ein Seminarleiter die Referendare an unserer Schule besucht, bin
ich unheimlich erleichtert, nichts mehr mit ihnen zu tun haben, zu müssen.
Man
sagt, das Referendariat wäre die schlimmste Zeit des Lebens. Ich kann das
genauso unterschreiben. Jeder empfindet es natürlich anders und wahrscheinlich
habe ich mir selbst den meisten Druck gemacht. Direkt vor mir sind drei
nacheinander durchgefallen. Nun ja, vielleicht ist der Druck auch berechtigt.
Die Leute, die bei der zweiten Prüfung durchfallen, haben ein Riesenproblem. Sie
investieren fünf Jahre in die Uni und weitere zwei in das Referendariat. Schön
blöd, wenn man nach sieben Jahren Ausbildung gesagt bekommt: “Leider sind Sie
für den Lehrerberuf nicht geeignet.” In manchen Fällen wird es wohl stimmen.
Aber es muss für denjenigen wohl möglich sein, es vorher zu erfahren?! Durch
Eignungstests oder Ähnliches. Klar, man macht Praktika während des Studiums.
Doch meistens darf man in diesen zu wenig selbst machen, um über die Eignung urteilen zu
können. Und zu kurz sind die Praktika auch noch. Ja, der Druck ist immens. Man
macht sich halt so Gedanken. Man denkt, wenn man durchfällt, ist die Welt zu
Ende. Man möchte endlich Geld verdienen, sich den einen oder den anderen Wunsch
erfüllen und unabhängig sein. Und eine gute Note möchte man ja auch bekommen.
Schließlich zählt die Note bei der Einstellung, es sei denn man hat solche
Mangelfächer wie Physik oder Musik.
Jeder
Referendar hat also die Ehre, in den zwei Jahren Ausblidung ungefähr 18 Mal von
Seminarleitern besucht zu werden. Ja, Seminarleiter… ganz schwieriges Volk. In
meinen Augen, sind es meistens die, die es als Lehrer in der Schule nicht
geschafft haben oder aber an der Karriereleiter möglichst hoch hinaus wollen.
Ich hatte eine ganz tolle Seminarleiterin, von ihr habe ich sehr viel gelernt. Das war aber auch die einzige. Die
beiden anderen gehörten leider in die Kategorie ‘Zeitverschwendung’. Die eine
war seit ungefähr 20 Jahren aus der Schule raus und der andere allgemein eine
Katastrophe. Wenn er von seinem Unterricht erzählte, klang alles super. Schüler
würden wie am Schnürchen laufen, jede Methode perfekt sitzen. Tatsächlich kamen
wir in den Genuss, ein paar seiner Stunden zu sehen. Und, uuuups. Da lief gar
nichts. Die Ausrede war: “ja, wissen Sie, ich habe ja auch ganz schwierige
Klassen!” Entschuldigung, wir nicht oder was?? Diese Ausrede durften wir
natürlich niemals benutzen. Wir mussten auch in der schwierigsten Klasse dieser
Welt die beste Stunde zeigen. Genauso wie bei uns, gab es auch nach den
Vorführstunden der Seminarleiter eine Auswertung. Leider durfte man hier nicht ehrlich sein und
nicht offen kritisieren. Hätte sich ja auf die eigene Note auswirken können. Also wurde hier endlos geschleimt. Ekelhaft.
Vor
jeder Vorführstunde kam das große Zittern.
Während
der Stunde saßen die Seminarleiter hinten. Mit einem Pokerface und schrieben jede
Kleinigkeit auf. Was hat der Referendar wann gesagt, welche Bewegung machte er,
wurde das Stundenziel erreicht, wie war der Umgang mit den Schülern, usw.
Wurden die richtigen Impulse gegeben, das Lehrer-Echo vermieden, die Meldekette
ausprobiert? Manchmal liefen sie auch rum und schauten sich die Ordner der
Schüler an, um zu erfahren, mit welchem Material die Schüler auf diese Stunde
vorbereitet wurden. Jedes Arbeitsblatt der Unterrichtseinheit muss stimmen. Druck und Nervosität pur. Natürlich hängt man in solch
einer Situation auch von dem Verhalten der Klasse ab. Man instruiert die
Schüler vorher, bittet um Mitarbeit und gutes Benehmen und erklärt ihnen wie
wichtig, der heutige Besuch für einen ist. Ob die Bitte angekommen ist, merkt
man allerdings an dem Besuchstag selbst. Meist sind die Schüler jedoch in
solchen Tagen Zucker und stehen hinter ihrem Lehrer.
Nach
jeder Vorführstunde gab es eine Auswertung. Ziel: dem Referendar möglichst
alles aufzuzeigen, was er falsch gemacht hat. In der Regel war auch alles falsch. Am
liebsten noch mit dem Satz verknüpft: “Überlegen Sie es sich doch, ob es
wirklich die richtige Berufswahl für Sie ist.” Nicht wenige haben in diesen Auswertungen
geweint oder eben nach dieser Auswertung. Im Lehrerzimmer oder zu Hause. Es gab auch die Möglichkeit, sich
einen Besuch zu sparen und zwei Seminarleiter auf einmal einzuladen. Schlechte
Idee. Denn dann begannen Machtspielchen zwischen den beiden. Auf Kosten des
Referendars wurde ausprobiert. Wer konnte in dieser Stunde mehr schlechte
Sachen erkennen. Die Seminarleiter schmeichelten einander, gaben einander Recht
und der Referendar wurde immer kleiner. Zweifel oder Kritik an der Arbeit des
Seminarleiters war ein No-go. Die Menschen sind unantastbar. Leider habe ich es
bei einem immer wieder versucht. Quasi für Gerechtigkeit gekämpft. Die Auswertungsgespräche mit Ihm waren zum
Kotzen, sie gaben mir rein gar nichts. Er hat mich nicht beraten, sondern immer
wieder fertiggemacht. Als ich ihm das sagte, wurde mir Arroganz vorgeworfen,
ich würde ihm gar nicht richtig zuhören. Er meine es doch nur gut. Kontrolliert
eigentlich jemand die Seminarleiter??? Als Dank für meine Bitten, habe ich von
ihm eine schlechtere Vornote bekommen, als von den anderen. Man war eben
machtlos gegen diese Menschen. Ob es unseren Schülern mit Lehrern wohl auch so geht? Ich hoffe nicht. Ich denke immer wieder an diese Erfahrungen und versuche es bei meinen Schülern anders zu machen und sie zum Beispiel in Entscheidungen miteinzubinden oder die Zusammensetzung der Noten zu erklären. Die Seminarleiter erklärten einem eigentlich erwachsenen
Mensch mit einem abgeschlossen Studium und sonstigen Erfahrungen, die einen eben
so prägen, dass man keine Ahnung vom Leben hätte. Die Zweifel am Bestehen der
zweiten Staatsprüfung wurden immer größer.
Nicht
nur die Stunde wurde auseinander genommen, sondern auch die
Unterrichtsentwürfe. In diesem musste jede kleinste Entscheidung begründet werden.
Warum mache ich was? Warum Gruppen-, statt Partnerarbeit? Methodenvielfalt
musste natürlich sein! Bei solchen Klassen, wie wir sie heute haben,
funktioniert eigentlich nur Frontalunterricht. Knallhart. Nur Beschäftigung,
bloß keine freie Sekunde geben, um sich abzulenken. Klappt natürlich auch nicht
immer. Welche Materialien benutze ich, warum gerade das Thema, was weiß die
Klasse schon und was will ich ihr noch beibringen? Blablabla und schreiben,
schreiben, schreiben… Könnte ja sonst langweilig werden. Und natürlich ganz
viel differenzieren. Material für den niedrigsten, mittleren und höchsten
Standard. Wir sollten also lernen, eine perfekte 45-Minuten-Stunde zu planen
und zu durchführen. Nur schade, dass man heute nicht mehr dazu kommt, 45
Minuten lang zu unterrichten und andere Probleme, wie Disziplinschwierigkeiten,
Schwänzen und Schulmüdigkeit im Zentrum stehen. Wie man mit diesen Problemen
umgeht, haben wir im Referendariat nicht gelernt. Die Lösungen für solche Probleme bringt man sich schon irgendwie selbst bei. Learning by doing.
Nach
der Prüfung war ich aus zwei Gründen erleichtert. Weil das Ergebnis wirklich
gut ausgefallen ist, aber auch weil ich von nun an zu diesen Menschen nicht
mehr nett sein musste, aus Angst, sie könnten mir schaden. Und vor allem weil ich
jetzt von ihnen unabhängig war. Schon während des Referendariats und auch jetzt
noch, frage ich mich, warum es einem während dieser Zeit so schwer gemacht
wird? Ist es etwa eine Prüfung, ob man dem späteren Schulalltag standhalten kann? Meiner Meinung nach, muss das Referendarit modernisiert werden- weg von inkompetenten Seminarleitern
sowie überalterten und nicht transparenten Inhalten. Egal wie schwer der
Schulalltag heute sein mag, ich würde um keinen Preis mit dem im Referendariat
tauschen wollen.
Ich kann so ziemlich alles bestätigen, was Sie über das Referendariat geschrieben haben. Der permanente Druck und das Gefühl, anderen ausgeliefert zu sein, sind eigentlich unzumutbar. Aber zumindest weiß man danach, dass man psychisch durchaus belastbar ist... im besten Falle.
AntwortenLöschenBeste Grüße!
Stimmt, macht die Sache aber leider auch nicht besser...
LöschenGrüße zurück!