Mittwoch, 25. Januar 2012

Zu viel blabla


"Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?"
Konrad Adenauer

Sorry, heute gibt es nichts zum lachen. Ich muss mal erzählen, was hier in der Hauptstadt abgeht. Muss heute sein. 
 
Ich muss mal meine Schüler in Schutz nehmen. Falls der Eindruck entstanden ist, sie wären dumm, das denke ich nicht. Ich will sie auch nicht auslachen, ich lache mit ihnen. Ich halte viel von meinen Schülern- das was sie teilweise erlebt haben, möchte ich nicht erleben. Das was sie leisten müssen- zu Hause und in der Schule- will ich als 13/14jährige nicht leisten müssen. Faul sind sie und sie leben in ihrer eigenen Welt, die auch nicht einfach so vom Himmel gefallen ist. Die wurde meistens von den Eltern oder vom sonstigen Umfeld geschaffen. Perspektiven- kaum, Ziele- kaum und einen Sinn in der Schule sehen- 0. So bekommen wir sie nach der Grundschule präsentiert. So müssen wir mit ihnen zurechtkommen und sie für das Leben da draußen vorbereiten. Das kann ich nicht leisten. Nicht alleine. Nicht bei den Zuständen. Sparen an der Bildung- so kann man sich auch totsparen. Dejan würde jetzt sagen: „Ohne Kacke.“ Wie soll ich 26 Haupt- und Realschüler individuell fördern? Ich brauche einen zweiten Lehrer oder Sozialpädagogen im Unterricht, ich brauche kleinere Klassen und Lehrpläne, die machbar sind. Lehrpläne, die berücksichtigen, dass man auch dem Umgang miteinander Zeit und Aufmerksamkeit zollen sollte. Ich brauche Chancen für diese Kinder! Nehmen wir Hauptschüler. Ja, Hauptschule war ein hartes Pflaster. (Ja, ich habe schon mal eine von innen gesehen) Aber die Hauptschüler, die eben mehr Zeit, Zuwendung etc brauchen, saßen dort zu max. 16 in den Klassen mit Doppelbesetzung und hatten ausgerüstete Werkstätten, für diejenigen, die eben besser praktisch und nicht theoretisch arbeiten können. Gibt solche und solche. Dieses Klinetel muss man teilweise einzeln fördern, so gross sind die Lernschwierigkeiten. Und sie nicht in eine so große Lerngruppe stecken, wo sie untergehen. Wie sollen sie denn da im Lernstoff mitkommen und ihren Abschluss machen und vor allem wie soll ich jedem helfen können? Abdul würde sagen: „Walla, isch hab auch Reschte!“ Und er würde Recht behalten. Und wo sie die stärkeren Kinder mit runterziehen. Ah ja und was machen wir mit Föderschulen (frühere Sonderschulen)? Sie werden hierzulande geschlossen. Kosten nur Geld. Bist du Lehrer, haste 2 Examina, kannst du auch Behinderte unterrichten. Menschlich gesehen- super! Sie werden in die Gesellschaft integriert. Habe ich auch nichts gegen. Nur, dafür bin ich nicht ausgebildet!!! Aber haben Sie da oben vergessen, dass die Sonderpädagogik ein gesonderter Studiengang ist und nicht mal so learning by doing erlernbar ist?? Ich brauche einen zweiten Lehrer, zumindest die Grundlagen des sonderpädagogischen Know-Hows und kleinere Klassen! Habe ich das schon erwähnt? Ah ja und Bücher wären nicht schlecht. Aber: Haushaltskasse leer- Bücherregale in der Schule leer! Brauchst du was, musst du Antrag stellen mit - am besten - einer mehrseitigen Begründung. Versteht doch jeder, dass man begründen muss, warum man Bücher in der Schule braucht! Kinder mit einem Förderstatus haben übrigens gesonderten Lehrplan. Aber das kann ein Lehrer mit 2 Examina natürlich auch- in einer Stunde nach 2 Lehrplänen unterrichten und nebenbei die übliche Differenzierung betreiben- einfachere Arbeitsblätter für schwächere, umfangreichere Aufgaben für stärkere. Nichts leichter als das!

Aber ich darf mich ja nicht beschweren. Konfrenzen und Fortbildungen ohne Ende. Leeres blabla. Hier das Schulkonzept, hier noch eine Theorie vom Prof. blabla. Häckchen machen- wir machen etwas für die neuen Sekundarschulen.. Und in jedem Bezirk sitzt ja jemand, der sich um einzelne Problembereiche kümmert- mit einer extra dafür geschaffenen Stelle. Hallloooo? Kriege ich vielleicht Unterstützung vor Ort? Konkrete Unterstützung?? So wie, was mache ich mit Justin, wenn auch die letzte Maßnahme nicht greift? Kriege ich vielleicht weitere Maßnahmen an die Hand? Kriege ich wenigstens eine Verbeamtung als Zeichen für das Schätzen meiner Arbeit??

So musste auch mal sein, danke fürs zuhören!! Kann ja nicht immer lustig sein und das Leben ist ja kein Wunschkonzert, ne?

Um die Tradition beizubehalten, ein Gedanke von Dejan:
- „Ey, das heißt ja Eichel! Jetzt weiß ich, warum du Ayse heißt!“

4 Kommentare:

  1. Sehr geehrte Mrs Johnson, raus damit!
    Danke für diese Perspektive Ihres Berufes. 'Gut' zu hören. Außer einem Lehrer kann einem das ja keiner mitteilen. Sie sprachen schon die Aggression der Kinder an, (nicht nur) hier wurde deutlich, wie ernst Sie Ihre Schüler nehmen und sie auch mögen. Mir entstand nicht der Eindruck, Sie würden sich über sie lustig machen.
    Sie schrieben auch schon, dass Sie manchmal die Lust verlieren, da denke ich mir, wer macht es dann, die Kinder brauchen Sie und Sie tun Wertvolles an ihnen. In mir wecken Ihre Beschreibungen der Kinder Sympathie, wahrscheinlich ob deren Unbedarftheit. Ich behaupte sie meinen nichts 'böse'. Schließe das daraus, da ich selbst, es schlicht nicht besser wissend, einige Umwege nahm und nehme obwohl ich das Glück hatte in andere Verhältnisse geboren zu werden.
    Vielen Dank Mrs Johnson für die, mal mehr mal weniger leichte, Unterhaltung und toll, dass Sie Ihre Arbeit als Beruf und nicht als Job ausüben!

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  2. Hallo Mrs Johnson,

    toller Blog, Unterhaltsam & Informativ!
    Ich mach mein Abi per 2. Bildungsweg, an meiner Schule gibts auch "keine" Lehrer und die da sind wirken teilweise vollkommen überarbeitet, was der Krankenstand wiederspiegelt. Nichts desto trotz möchte immernoch Lehrer werden! Auch wenn ich etwas ängstlich auf die Zukunft blicke wenn ich Ihre Ausführungen lese, ist das weiterhin mein 1. Berufswunsch! DURCHHALTEN! Verstärkung ist unterwegs! :-)

    Cars10

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  3. Ich würde den Beruf immer wieder wählen!
    P.S.: Danke fürs Kompliment.

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  4. Hallo Mrs. Johnson! Gibt es ein Forum zwischen der Lehrerschaft, in dem auch die Schulämter und die kommunale Politik teilnimmt. Nur durch die offenen und fairen Diskussionen können die richtige Methode ausarbeiten und die Bedürfnisse feststellen.

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