Dienstag, 8. Mai 2012

Düster


Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.

Sokrates

Das Schuljahr neigt sich langsam dem Ende zu, die letzten Arbeiten werden geschrieben. Korrekturen sind echt anstrengend. Da sitzt man vor einer Arbeit und denkt sich: “Was willst du mir denn damit sagen??” Vorausgesetzt, man konnte entziffern, was da steht. Ich bin zwar mittlerweile wirklich gut darin geworden, unterschiedlichste Schriften zu lesen, aber manchmal ist es dennoch unmöglich. Es heißt: im Zweifel für den Schüler. Wenn man also zwischen zwei Noten schwankt, dann wird die bessere vergeben. Und wir korrigieren ziemlich großzügig. Gerade bei den Schwachen suche ich regelrecht nach Punkten. Das Niveau ist leider ganz schön runtergerutscht. Teilweise ist es echt ein Witz, was von den Schülern verlangt wird und trotzdem haben wir auch dieses Jahr höchstwahrscheinlich nicht alle durch den MSA gebracht. Von den Sekundarschulklassen will ich gar nicht sprechen. Da werden nicht mal alle zum MSA zugelassen.

Für die letzte Arbeit musste meine Klasse ledeglich zwei Seiten aus dem Lehrbuch lernen. Wiederholung und großzügige Benotung inklusive. Trotzdem bekam ich haufenweise leere Blätter zurück und musste einige 5er verteilen. Es fängt schon damit an, dass in der Aufgabenstellung nach der Definition vom ‘Arbeitgeber’ gefragt wird. Das Wort steht genauso da. Man muss es quasi nur abschreiben und erklären. Trotzdem schreibt die Hälfte der Klasse ‘ArbeitSgeber’ hin. Dejan schreibt als Antwort: ‘Keine Ahnung, woher soll ich das wissen? Wer hat den die Scheiße erfunden?’ Und auf Abduls Blatt lese ich: ‘Wieso stellen Sie so komische Fragen? Kann ich eigene Fragen machen?’ Verlange ich zu viel? Ich frage mich, warum es früher möglich war, in der zehnten Klasse Schiller zu lesen und wir uns heute mit irgendwelchen Jugendromanen begnügen müssen. (Die sicherlich auch nicht schlecht sind.) Warum können wir das Niveau nicht halten?

Wir besprechen die Arbeit und die Schüler berichtigen sie. Obwohl Deniz ganz hinten sitzt, sehe ich ganz klar. Das, was auf seinem Tisch liegt, hat nichts mit Beurfskunde zu tun.
“Deniz, machst du Mathe?”
- “Nee, Physik.”
“Na wenigstens bist du ehrlich!” Deniz schreibt weiter, als wäre nichts gewesen.
“Ähm, Entschuldigung, dass ich dich störe, aber würdest du bitte Berufskunde auspacken?”
- “Na gut, hab eh noch Zeit für Hausaufgaben, wir haben erst in der fünften Stunde Physik.” Danke für die Info.
- “Ey, fällt Physik nicht aus? Umut hat gesagt!”
“Jungs, ihr habt doch den Vertretungsplan, guckt drauf!!”
- “Ah so, ja…”

Zum x-ten Mal führe ich ein ‘so-geht-es-nicht-weiter-gespräch’ und frage mich sogleich danach, was es gebracht hat.
“Leute, wie stellt ihr euch denn eure Zukunft vor! Ihr müsst doch irgendwann eure Kinder ernähren!”
- “Ja und, meine Mutter ist auch nix und wir leben. Mashallah, ich werd gut leben!” Leider habe ich genau diese Antworten erwartet. Betül scheint sich keine größeren Sorgen über ihre Zukunft zu machen. Und auch Fatih hat eine Riesenidee.
- "Ich stell mir meine Zukunft vor mit neuem BMW! So ein großer, in schwarz!"
"Um dir, so ein Auto leisten zu können, brauchst du einen Abschluss und danach eine Ausbildung!"
- "Hä? Mein Couseng fährt auch so Auto und hat keinen Abschluss!"
"Auf dem legalen Weg bekommst du so ein Auto, nur wenn du Geld verdienst. Und zwar nicht wenig."
- "Ah so... legal... Kann ich nicht als Beruf Schlafen machen?”
“Ich glaube kaum, dass man damit Geld verdienen kann!”
- “Wieso? Schlafen ist doch beruflich. Nutten schlafen doch auch!”
“Ich hätte gerne ein paar Ausbildungsberufe gehört!” Das große Schweigen folgt. Ist ja nicht so, dass wir noch nie über Berufe gesprochen hätten!
“Leider muss man sich der Realität stellen. Ich wollte auch immer von Beruf Prinzessin werden und daraus ist nichts geworden!”
- “Aber Mrs. Johnson... Sie sind doch unsere Prinzessin!” Danke für das Kompliment, aber leider bin ich jetzt immer noch nicht beruhigt. Düster sieht es aus. Gerade wenn man bedenkt, dass nur noch zwei Jahre bis zum MSA bleiben und die Kiddies theoretisch die Hälfte des Stoffes, der abgefragt wird, bereits können müssten.

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