Mittwoch, 23. Mai 2012

Nackenklatschernverteilerin


“Man muss dich die Menschen nach ihrer Art verbindlich machen, nicht nach der unserigen.”

Georg Lichtenberg

Mittwoch ist toll, ich muss später in die Schule. Mittwoch ist blöd, weil ich deswegen nie einen Parkplatz finde. Alles ist schon besetzt. Heute morgen habe ich ein paar Runden extra gedreht. Rechts von der Schule, links von der Schule, hinter der Schule, auf der anderen Straßenseite. Keine Chance. Auch nach der vierten Runde blieb nur eine kleine Lücke. Genau vor dem Schultor. Hoffentlich überlebt mein Auto diesen Tag kratzfrei.

Nach dem Unterricht lasse ich mir viel Zeit. Ich möchte mit den Schülern keine Gespräche über mein Auto führen. Nach dem Schulschluss eigentlich gar keine Gespräche mehr. Ich kontrolliere also noch mal die Klasse, ob auch Ordnungsdienst gemacht wurde, schreibe eine Schulversäumnisanzeige (so eine kriegen die Schwänzer immer) und unterhalte mich noch bisschen mit Kollegen. Über dieses und jenes. 40 Minuten nach dem letzten Klingelzeichen verlasse ich endich die Schule. Hoffentlich sind sie jetzt alle weg. Ich gehe raus und sehe Can, Dejan, Fatih, Umut und Abdul. Direkt neben meinem Auto. Na super. Mit demselben Erfolg hätte ich schon vor 40 Minuten gehen können.
“Jungs, welch’ Überraschung, euch zu sehen! Das war echt nicht nötig, ihr müsst doch nicht auf mich warten!”
- “Aber Mrs. Johnson, wieso? Auf Sie warten is King!”
“Dejan, was machst du eigentlich noch hier? Du hast den ganzen Tag geheult, dass es dir zu heiß ist und du gehen möchtest! Jetzt kannst du nach Hause gehen und gehst nicht!”
- “Was soll ich denn zu Hause?? Mir war ja auch heiß und ich wollt nur raus und wieso kriegen wir nicht hitzefrei??”
“Das habe ich euch doch schon fünf Mal erklärt! Nach dem Zusammenschluss der Haupt- und Realschulen gibt es nur noch Ganztagsschulen. In Ganztagsschulen gibt es kein Hitzefrei! Und es liegt auch leider nicht in meiner Macht, es zu ändern!”
- “Wieso sollen Sie das ändern? Sie kriegen ja auch Geld dafür, weil Sie in so Hitze arbeiten!”
“Ja genau, mein Gehalt richtet sich nach den Temperaturen. Je heißer, desto mehr Geld!”
- “Eeeecht? Aber dann müssen Sie ja Millionen bekommen. Wenn ich da bin, is immer üüübertrieben heiß!!”
“Tschüß Jungs, ich muss jetzt weg!
- “Wer kann dann ändern? Herr Direktor?”
“Auch er nicht.”
- “Ah so, ist es wieder diese Senatsdingsda oder wie die heißen??”
“Genau die.”
- “Wo kann ich die finden? Ich geb dem Nacken! Und sage: ‘Aller, Jungs, macht ma Hitzefrei!’”
“Das würde ich zu gerne sehen! Und jetzt: bis morgen!”
- “Ich schwör, Berliner Schulen sind für’n Arsch!” Leider ja, aber nicht nur deswegen.

Ich will gerade ins Auto einsteigen, da meldet sich Fatih zu Wort.
- “Uhhhh, Mrs. Johnson! Ihr Auto? Was haben Sie bezahlt?”
“Mach zuerst deinen Abschluss, dann können wir über Geld reden. Vorher nicht!”
- “Wissen Sie, Mrs. Johnson, wir haben mega viel gemeinsam!”
“Ah ja?? Was denn??”
- “Wir mögen beide schöne Autos!”
“Schön ist subjektiv.”
- “Was?”
“Nix!”
- “Welche Baujahr? Wie viele PS? Drücken Sie ma auf’s Gas!”
“Jungs, lasst mich doch jetzt einfach nach Hause fahren. Wir sehen uns morgen wieder!”
- “Ok nehmen Sie mich mit??” Can stand die ganze Zeit leise daneben und möchte jetzt auch unbedingt seinen Teil zu der Unterhaltung beitragen.
“Natürlich nicht! Du wohnst doch hier um die Ecke. Laufen tut dir bestimmt gut!”
- “Cüüüs, Mrs. Johnson, warum sind Sie so?”
“Für noch einmal ‘warum sind Sie so’ gibt’s einen Nackenklatscher, verstanden?”
Alle brüllen vor Lachen, nur Can ist wie erstarrt.
- “Aber… aber… das dürfen Sie nicht…” Leider nein. Habe ja auch nicht gesagt, dass die Nackenschelle dann von mir kommt.
Endlich gelingt es mir, ins Auto zu steigen. Ich öffne die Fenster. Sofort steckt Abdul seinen Kopf rein. - “Nackenklatschernverteilerin, oder was??” Ich parke nie wieder am Schultor, auch wenn ich dafür 1 km zur Schule laufen muss!

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